Ich saß vor dem unterschätzten Italiener Brigantino und wartete auf eine Pizza Funghi è Cipolla, eine Pizza Spinaci Bambini und auf eine Portion Spaghetti Vongole. Die Luft war kühl geworden, doch die Restsonne erzeugte ein einmaliges LICHT. Während ich wartete, trank ich schnell drei große Gläser eiskalten Tischweins und erfreute mich daran, wie scharfkantig das Licht die Blätter des Laubbaumes am Straßenrand gegen das Himmelsblau schnitt. Wie scharfkantig auch die Häuserdächer gegen dieses Licht geschnitten wurden. Im Schlingensief-Buch hatte ich gelesen, von seinem Ringen gegen den Krebs und mit dem Krebs. Von seinen Plänen hatte ich gelesen und von seinem Hadern. Wie ähnlich ich mich ihm fühlte, in seinen Gedanken, seinem Mut, seiner Feigheit, seinem Trotz und seiner Empathie. Ich dachte darüber nach, wie man die Hirngeräusche der Menschen vertonen könnte. Dass manche, seltene Hirne ein Zwitschern, Tirilieren, Jubilieren und Singen, ein Rattern und Zischen, eine Himmelsmusik und sehnenden Klänge produzieren - und andere nur das perfide Brummstrull einer Spülmaschine. Freute mich daran, so ein zirpendes Hirn kennen gelernt zu haben. Ging in Gedanken bereits die Straße wieder in die Gegenrichtung zurück, bepackt mit einer großen Pizzaschachtel, einer kleinen Pizzaschachtel und einem nudelgefüllten Alu-Napf. Die Altbauten von Friedenau entlang, bewohnt von mürrischen aller Art, von übergewichtigen Netzwerkspezialisten, verheiratet mit schwangeren Erzieherinnen. Altbauten mit unfachmännisch angebrachtem Stuck und schiefen Balkons, frisch sanierte Wohnungen, in denen unterschwellig der Hausschwamm alles zerfraß, bis an die Substanz.