Es erging die Nachricht, dass Führungskräfte nicht in kurzen Hosen zu erscheinen haben. Morgens stand ich vor dem Kleiderschrank und entschied mich für eine kurze Khaki.
Man saß in einer unvorstellbaren Hitze. Ein schweißtriefendes Auditorium, das jedes eingenommene Getränk innerhalb von Minuten über die Haut metabolisierte. Auf der Bühne Bohren und der Club of Gore, in einem Gemisch aus Schweißdunst und Kunstnebel, die Bühne fast dunkel, bis auf einen kleinen farbigen Spot mit scharf begrenztem Lichtkegel über jedem Musiker. Nur das Bandlogo leuchtete vom Bassdrum-Fell aus in den Saal, gelb hintergrundbeleuchtet. Schlagzeug mit subtilem Besenspiel, sanft getretene Hi-Hat auf 2 und 4, all dies in Tempi mit gerade noch zweistelligen BPM. Irgendwann, nachdem man an der gereichten Haschischtüte gezogen hatte, gelang ein völliges Eindringen in die Musik, die Stücke wirkten noch langsamer, das Rhythmusgefühl taktete sich neu, und man konnte nur noch dann die Beats erahnen, wenn man auf den Hals des E-Basses sah, der sanft pendelnd das Tempo angab und auf den gefühlten Beat noch eine halbe Sekunde Verzögerung rechnete. Ein Götzendienst der Langsamkeit. Perfekt.
Strand von Scheveningen. Ich schlendere gemütlich rauchend an den Strandbars vorbei. Ein Mann spricht mich an, ob ich eine Zigarette für ihn habe. Ich gebe ihm eine. Als ich weitergehen will sagt er "Moment, ich muss mir die Zigarette erarbeiten". Gerade, als ich meinen Intimbereich mit der hohlen Hand schützen möchte, fängt er an, die absonderlichsten Kunststücke mit der Zigarette zu machen. Lässt sie veschwinden, hinter meinem Ohr auftauchen, durch die Luft fliegen und verkehrtherum in seinem Mund landen.
Ebenfalls Strand von Scheveningen. Ich sitze gemütlich rauchend am Wasser. Eine ausgesprochen gut aussehende dunkelhaarige Frau, Typ "Milf", in knallorangenem Bikini kommt auf mich zu und fragt mich nach Feuer. Ich stehe auf, gebe ihr Feuer, sie bedankt sich lächelnd, geht weg. Kommt einige Minuten zurück, mit Badetuch, Badetasche, setzt sich 5 Meter entfernt. "Damit ich es nicht so weit habe bis zum Feuerzeug". Lächelt.
Zimmerstraße Berlin. Gehe gemütlich rauchend die Straße entlang. Ein freundlich aussehender Mittdreißiger fragt, ob ich ihm eine Zigarette verkaufen könne. Quatsch, sage ich, und schenke ihm eine. Feuer braucht er auch noch. Bedankt sich, glücklich. Ich bin gerade zwei Meter weitergegangen, da kommt aus dem Off eine Furienstimme. "Mach die Scheisszigarette aus, du Arschloch", eine eigentlich wunderhübsche Frau mit zornverzerrtem Gesicht schlägt ihm die Zigarette aus dem Mund, kratzt und tritt den Mann, schreit wütend auf ihn ein. Sie streiten zehn Minuten lang, ich beobachte einen Weile, ob Hilfe gebraucht wird, trolle mich dann. Kurz bevor sie aus meinem Blickfeld verschwinden sehe ich, wie der Mann die Frau umarmt, die immer noch von Heul- und Zornkrämpfen geschüttelt wird.
Das literarische Tagebuchblog, in dem sich die Zeitpunkte des Geschehens und der Niederschrift Tag für Tag mehr aneinander angleichen. Bis sie eins sind. Und der Schreiber in einer neuen Sphäre.